Endlich wieder raus aus der Notschlafstelle
22.09.2011
„Taaagwache“ – verständnisvoll, einfühlsam! Siegi, die Posaune Jerichos, erweckt Grabbeigaben wieder zum Leben. Und wenn du noch keinen Zugriff auf gewisse Regionen deines Denkapparates hast, spätestens jetzt solltest du den Startknopf drücken. Erinnerungen. So beginnt der Tag in der Notschlafstelle.
Manchmal denke ich gerne zurück an die Zeit in der Wost: die spontane Gesprächsführung aus dem geistigen Nichts heraus. Frauen, mit denen der beste Sex der ist, ihn nicht zu haben, an jene, dien einen verspäteten Bus als persönliche Beleidigung empfinden. An alle, die nie vor Mittag trinken, aber irgendwo auf der Welt ist es immer Mittag und die Leber wächst schlussendlich mit ihren Aufgaben. Und natürlich an die vielen „starken Männer“, die laut brüllend als Löwen sprangen und als Bettvorleger gelandet sind.
Irgendwie mag ich sie alle, wenn gleich sie mir manchmal wie Neandertaler vorkommen, die Mikroben durch ein Mikroskop anglotzen und nicht recht wissen, ob sie sie zertreten oder anbeten sollen.
Aber ist das nicht auch mit ein Grund dafür, warum wir uns für so einzigartig halten?
Einzigartig auch der Chef, Karl, Kommandant und Schlachtschiffkapitän, Herr über diesen bunten Haufen und Heinz, sein Torpedo, den man mochte oder verdammte, aber bestimmt nie vergisst. Und wie könnte ich meine Betreuerin vergessen, die mich zwar manchmal für schizophren hält, was mir inzwischen aber nichts mehr ausmacht. Aber auch nicht mit Lob spart. Und das ist es, was wir brauchen: LOB!!!
Rinnt das nicht hinunter wie Öl?
Und: Päng! Wieder hat man wieder einen mehr, den man nicht enttäuschen möchte.
Aber sie alle wollen nur eines: uns auf die Beine stellen!
Wo früher jedes Sparschwein den Arsch vor mir einzog, gibt’s heute ein Sparbuch. Gab es früher Nachtkastl, Spind und Stahlrohrbett, so gibt es heute „Zimmer-Kuchl-Kabinett“: meine eigene Wohnung!
Malstube, Werkstatt, Bastelraum, alles in einem.
War aber auch eine Schinderei! Aber ich war ja übertrainiert. Mein Bauch war zu dieser Zeit so schwer und so lang wie ein Waschmaschinenwasserzulaufschlauch. Ich lief schwerbeladen vorne weg, hielt Türen auf, die sowieso offen waren, baute die wieder auf, deren Bandscheiben schon eine Etage weiter waren als meine, kurz: mit viel Schweiß und einigen nicht nennenswerten Schwächeanfällen, schaffte ich es dann doch, 2 Jahre probewohnen in einer 5erWG und dann: wieder eine eigene Wohnung!
Nun ist es drei Monate her. Kalt ist es geworden. Der Wind pfeift ums Haus und lässt den Regen gegen die Fenster trommeln. Wie eine Warnung!
Und während ich Wind und Regen lausche, meine Augen immer schwerer werden, da kommt es, dieses gute Gefühl: Rechnungen bezahlt, alles Amtliche erledigt, Strom und Miete überwiesen. Und ich koste es aus!
Du musst die kleinen Freuden wahrnehmen – viel große gibt es nicht.
Text: Kleksi